Zu viel!

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Die Dynamik des Lebens zeichnet sich im Kleinen wie im Großen ab. Was fühlbar ist, will wahrgenommen werden – ob angenehm oder unangenehm. In dem Maß, mit dem wir uns selbst lieben, annehmen, werden wir auch andere, anderes lieben und annehmen. In dem Maß, mit dem wir uns den eigenen Ängsten aussetzen und sie akzeptieren, werden wir auch die Ängste anderer verstehen. Egal, ob wir der Sprache des Gegenübers mächtig sind oder nur sein Herz verstehen. Damit bleibt das Leben in Bewegung!

Zu viel Angst, zu viel Unsicherheit, zu viel Enttäuschung – in krisenhaften Zeiten des Lebens, mit Blick auf Menschen, die Heimat suchen.

Unterm Strich: Einfach zu viel! Überforderung macht sich breit, Frustration über das Nicht-Greifen schneller Lösungen im Außen, Hilflosigkeit gegenüber dem Eindruck, einer Situation unausweichlich ausgeliefert zu sein.

Was tun?

Ein bekannter Weg kann sein: Mehr vom selben. Mehr Anstrengung, mehr Kampf, mehr Krampf. Mit welcher Konsequenz? Ein Zurecht-Argumentieren scheinbar gerechtfertigter Gedanken lässt Mauern der Unnahbarkeit, des Sich-Nicht-Berühren-Lassens massiver werden. Die eingemauerten Gefühle fürchten sich dahinter weiter. Selten tun sich daraus entscheidend neue Perspektiven, geschweige denn Hoffnung, Erleichterung, Befreiung hervor.

Was sonst?

Wie wäre es dem Unangenehmen zu begegnen, statt es abzuschieben, in Beziehung zu treten, statt es zu leugnen. Zugegeben: Im Innersten wünscht sich wohl niemand Schmerz, Leid, Trauer. Doch: Welches Neuwerden gebiert sich ohne dieses Erleben? Wer von uns kam ohne dieses Ringen zur Welt?

Das Leben ist uns geschenkt. Und: Nur, was wir annehmen, können wir gestalten – das gilt für Freude und Leid im gleichen Maß. Das trifft auf das Kleine wie auf das Große zu.

Es kann schon mal helfen, bei einem aufgeschlagenen Knie des Kindes auf die blühende Blume daneben aufmerksam zu machen, um abzulenken. Ob es als dauerhafte Strategie, mit Verletzung umzugehen hilft, bezweifle ich.

Oft erleben wir wohl auch folgendes: das Kleine sitzt in den Armen der Großen am Schoß, darf weinen, auf die Wunde wird geblasen, … schon „ist es wieder gut“ und die Kinder laufen von selbst zur nächsten Entdeckung. Kein Kind will aus sich heraus dauerhaft „arm“ sein. Wenn es allerdings nicht weinen darf, ist es erst recht „arm“.

Wie lebendig könnte das Leben sein, wenn wir es uns nicht zurechtrücken, wie wir es gerne hätten, sondern mutig sind und sehen wie es gerade IST!? Ganz im Sinne Frankls Feststellung: „Wir scheitern nicht am Leben, sondern an der Vorstellung vom Leben“.

Wie wäre es, wenn wir uns um die eigene Angst, Unsicherheit, Enttäuschung selbst annehmen! Wenn wir es nicht tun, werden es andere für uns übernehmen!

Alle Gefühle wollen wahrgenommen werden. Finden sie die Anerkennung nicht in uns, landen sie im Übermaß an Alkohol, Arbeit, Beschäftigung, Gewalt, Konsum, Besitz, rechtsgerichteten Parteien … und die Furcht nimmt kein Ende.

Wie wäre es, darauf zu vertrauen, dass es diesen „Schoß“ in uns gibt, der uns mit offenen Armen zu sich nimmt, wenn wir mit unseren „aufgeschlagenen Knien“ der Angst und Überforderung ganz klein dasitzen?! Diese innere Größe, die uns hält, bis wir uns ausgeweint haben und wieder spüren können:

Dem Wahrnehmen der Angst folgt die Liebe.

Dem Ernstnehmen der Überforderung folgen kreative Wege der Lösung.

Der Akzeptanz des Endes entspringt dynamisches Leben in und aus der Fülle.

So viel!

Karin Grössenbrunner

www.sinnerfuelltleben.com

Alle Info zu Karin`s aktullem Seminar & zur Anmeldung: www.sinnzentrum.at

Kinder wollen lernen

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Wir könnten zur Abwechslung unseren Kindern einmal danken, dass sie täglich mitmachen, in die Schule gehen und ihre Aufgaben erfüllen.

„Mein Lieblingslehrer hatte Humor, war einigermaßen streng, ehrlich, konnte gut zuhören, zeigte seine Gefühle und sagte mir, wenn er etwas nicht gut fand und woran ich noch feilen könnte. Ich fühlte mich akzeptiert – auch mit meinen Schwächen – vor allem aber immer wertgeschätzt, auch wenn ich Mist gebaut hatte. Ich hatte nie das Gefühl von Versagen oder dass ich mich für mich schämen müsste. Ich wußte, dass er an mich glaubt!“ erzählt eine Schülerin, 17 Jahre. Sie hat ordentlich Glück gehabt.

Denn die Beziehungsebene bestimmt die Inhaltsebene, das heißt dass 80 Prozent der Wirksamkeit des Unterrichts über die Beziehungsqualität zwischen Lehrendem und Schüler laufen. Dort wo Wertschätzung, Einfühlungsvermögen, Authentizität, Vertrauen und Mut machen präsent sind, kann stressfreier Unterricht – also nährende Begegnung – entstehen. Und zwar ohne Angst, Hilflosigkeit, Ausgeliefert sein, Scham, Druck und negativem Stress.

Eine gelingende Führung des Schülers stärkt die Zuversicht und das Vertrauen im Kind in die eigene Kraft und Wertigkeit und bewirkt Freude und Spaß am Lernen.

Der Geist in uns ist dynamisch und kreativ, das Kind will von Anfang an sich selbst leben. Es wirkt aus sich heraus, will seinen Eindrücken Ausdruck verleihen und seine Fähigkeiten leben. Kinder brauchen und wollen Herausforderungen um an ihnen wachsen zu können. Daher gilt es für Lehrer, aber auch Eltern und jegliche Bezugsperson, für das jeweilige Kind altersgerecht sinnvolle Möglichkeiten zu schaffen, die positiv gemeistert werden können. Zu hoher Leistungsanspruch hingegen erzeugt negative Streßsymptomatik, wirkt lernhemmend und mindert das Selbstwertgefühl.

Zukunftsdenkend wünschen wir uns als Eltern natürlich eine gute Bildung für unsere Kinder, um in der Berufswelt einen guten Platz zu finden und sinnstiftend wirken zu können. Aber dafür braucht es Freude, Neugierde, Mut, Willenskraft, Durchhaltevermögen sowie ein Wofür.

Aus Sicht der Kinder sind Kinder tagtäglich verdammt das meiste mitzumachen, von Klein auf. Oder hat Ihnen ihr Achtjähriger schon mal gesagt, „Mama mir reicht’s, ich ziehe aus!?“

Genau dafür sollten wir unseren Kindern dankbar sein, und dies auch zum Ausdruck bringen. Jetzt zum  Schulschluss – „Danken Sie ihrem Kind dafür, dass es tagtäglich mitmacht, dass es in die Schule geht und seine Aufgaben erfüllt! Stehen Sie hinter ihrem Kind, egal was kommt und hoffen, dass es trotz Anstrengung auch viel Freude und Spaß im Alltag hat.“

Susanne Leikermoser ist Familienberaterin, Kinder- und Jugendcoach am SinnZENTRUM Salzburg.

Foto Credit: Ruth Rambousek

Danke Arbeit!?

Wie sehen Sie Ihre Arbeit? In erster Linie, um Geld zu verdienen? Als gesellschaftliche Verpflichtung, Ihren Beitrag zu leisten? Als lästige Pflicht oder als „Sinn“ Ihres Lebens? Der Bezug zum Job unterscheidet sich von Mensch zu Mensch maßgeblich, doch für immer mehr von uns, soll der Job nicht nur Geld sondern auch Erfüllung bringen. 

Wird die eigene Arbeit dieser Erwartung nicht gerecht, steigt die Unzufriedenheit, innere Unruhe kommt auf und kann im schlimmsten Fall auch zum so genannten Burn-Out führen. Vor allem dann, wenn die Arbeit ein Ausmaß annimmt, das keine Zeit mehr lässt für andere wichtige Beziehungen im Leben, wie etwa zur Familie, zur Natur und nicht zuletzt zu sich selbst.

Aber was tun, wenn die „äußeren“ Gegebenheiten so sind wie sie sind? Aussteigen keine Option ist, die Reduktion der Arbeitszeit oder eine Umschulung nicht möglich sind?

Es gibt eine weitere Möglichkeit: nämlich den Bezug zur eigenen Arbeit zu überdenken. Versuchen Sie, „der Arbeit“ einmal anders zu begegnen!

Es steht doch außer Zweifel, dass an der Arbeit viele wesentlichen Lebensmöglichkeiten hängen: Dank der monetären Wertschätzung können wir unsere Grundbedürfnisse wie Essen, Wohnen, Freizeit, Ausbildung und auch unseren „Lifestyle“ ermöglichen. Grund genug, um dankbar zu sein überhaupt Arbeit zu haben – oder etwa nicht?

Vielen Menschen bleibt die Möglichkeit einer Arbeit nachzugehen verwehrt – auch in Österreich, in Europa und ganz zu schweigen von vielen anderen Ländern dieser Welt.

Jeder der schon einmal arbeitslos war weiß, dass das „nicht arbeiten“ wenig mit „Urlaub“ zu tun hat. Denn Arbeit ist eben sehr viel mehr, als nur Gelderwerb. Arbeit kann auch Sinn geben und Identität stiften. Keine Arbeit zu haben löst bei vielen das Gefühl aus, keinen Platz in der Gesellschaft zu haben.

Hat man Arbeit, ist man Teil eines „größeren Ganzen“, egal ob man in einem Unternehmen arbeitet, ManagerIn von Familie & Haus (Respekt!) ist, oder ehrenamtlich einen Beitrag leistet.

Natürlich soll es keineswegs heißen, dass jeder Job großartig ist und in Einklang mit den jeweils eigenen Werten steht. Aber Dankbarkeit hilft, aus dem „Tal des Jammerns“ bzw. aus der Opferhaltung heraus zu kommen. Nur mit einem klaren Blick kann der Fokus unserer Aufmerksamkeit auf grundlegende Fragen gerichtet werden. Wie etwa:  Mache ich das, was ich wirklich machen möchte? Lebe ich meine Werte? Was will ich am Ende meines Lebens erlebt, geleistet, oder geschafft haben?

Die Antworten machen die Sicht auf den individuellen Sinn frei. So kann sich „die Arbeit“ von einer Belastung und Pflicht zu einem Mittel zum Zweck  wandeln.

Die Basis dafür ist Dankbarkeit darüber, überhaupt arbeiten zu können und eine Arbeit zu haben. Entscheiden Sie sich, in welche Beziehung Sie mit Ihrer Arbeit treten wollen

Logotherapie für Pflege- und Sozialberufe

pflege- und sozialberufe

„In der Arbeit im Krankenhaus trifft man häufig auf sehr ängstliche und verzweifelte Menschen. Früher stand ich solchen Begegnungen eher hilflos und achselzuckend gegenüber. Ich schaffte es nur bis zu einem gewissen Punkt, ihnen weiter zu helfen und sie zu trösten. Dann fehlten mir die Worte,“ berichtet Krankenschwester Renate Pixner.

Renate Pixner ist Diplom Krankenschwester an den Salzburger Landeskliniken und hat am SinnZENTRUM Salzburg die Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin absolviert. Für den SinnZENTRUM-Blog berichtet sie, wie Menschen in Sozialen- oder Pflegeberufen, von der Logotherapie profitieren können.

„Wenn mich Patienten nach dem Sinn ihres Leidens, ihrer Schmerzen oder ihrer Erkrankung fragen weiß ich, wie und worauf ich sie hinführen kann.“

Lesen Sie hier das ganze ausführliche Interview mit Diplom Krankenschwester und Diplom Lebens- und Sozialberaterin Renate Pixner.

Foto Credit: Thanks to Nazarova Dasha

Warum Werte wichtig sind

Warum es sich lohnt, seine Werte zu finden und nach ihnen zu leben – und was passiert, wenn man es nicht tut.

Karin S. ist Ärztin, Ehefrau und Mutter von zwei Kindern. Bis vor kurzem folgte sie noch einem streng regulierten Tagesablauf und versuchte neben ihrer Arbeit in der eigenen Praxis, ihren Kindern und den Ansprüchen ihres Mannes mit gemeinsamer Zeit, Sport und Hausbau gerecht zu werden. Karin S. hat zuletzt nur noch funktioniert, aber nichts mehr wahrgenommen. Seit vier Wochen liegt sie im Krankenhaus. Diagnose: Burn Out.

„Im Extremfall nimmt der Körper die Sache in die Hand und macht nicht mehr mit,“ erklärt Christoph Schlick, Logotherapeut und Gründer des SinnZENTRUM Salzburg den Mangel, dessen sich sehr viele Menschen nicht einmal bewusst sind.

„Werte sind Dinge, ohne die wir nicht leben können,“ erklärt Christoph Schlick, „Werte sind Wegweiser, die uns sagen, wofür wir uns entscheiden sollen. Sie machen unser Leben sinnvoll.“ Werte sind jene Vorstellungen, die in einer Gesellschaft allgemein als wünschenswert anerkannt sind und die den Menschen Orientierung verleihen. Die eigenen Werte zu erkennen und ihnen zu folgen, ist der Schatz im Leben, den es zu heben gilt.

Meist beginnt es mit scheinbar harmlosen Beschwerden wie Schlafstörungen, Unkonzentriertheit, Rückenverspannungen oder Verdauungsproblemen. Unternimmt man nichts, können Symptome wie andauerndes Kopfweh und depressive Verstimmungen folgen. Im Extremfall reagiert der Körper mit tödlichen Krankheiten wie Krebs, Parkinson oder Multipler Sklerose.

Viktor Frankl unterteilt unsere Werte in drei Kategorien. Die erste Kategorie sind Einstellungswerte. Der Einstellungswert schlechthin ist Liebe, aber auch Respekt, Vertrauen und Dankbarkeit gehören dazu.

Frankls zweite Werte-Kategorie sind die Schaffenswerte. Sie umfassen alles, was wir erschaffen, tun, machen oder aufbauen. Z.B. unsere Kinder, unsere Beziehung, Beruf, Geld, Wissen oder auch die Natur. Das Merkmal der Schaffenswerte ist die Vergänglichkeit.

Die dritte Kategorie sind die Erlebniswerte, das sind die Erlebnisse, welche durch die Schaffenswerte entstehen. DER Erlebniswert schlechthin ist Freude, aber auch Geborgenheit, Zufriedenheit, Glück, Erfolg, Anerkennung. Das Merkmal der Erlebniswerte ist, dass sie nur bedingt wiederholbar, aber dafür auch nicht vergänglich sind. Wenn mein Partner nicht mehr da ist, kann mir die erlebte Freude mit ihm, niemand mehr wegnehmen.

„Bewusstes Wahrnehmen und Achtsamkeit sind für die Erlebniswerte unbedingt notwendig. Denn ohne Achtsamkeit gibt es kein bewusstes Erleben und damit auch keine Erlebniswerte,“ sagt Christoph Schlick.

„Die meisten Leute leben in ihren Schaffenswerten und denken nur an Beruf, Beziehung oder Kinder,“ erklärt Christoph Schlick, „sie übersehen dabei, ihre Erlebnis- und Einstellungswerte wahr zunehmen.“ Anita S., beispielsweise, hat sich zwischen ihrem Arztberuf, Kindern, Ehemann und den sonstigen Ansprüchen nur noch aufgerieben, aber ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr wahrgenommen. Alle Werte von Anita S. waren beschränkt auf Schaffenswerte, denen sie auf Kosten ihrer Erlebnis- oder Einstellungswerte gefolgt ist. „Um ein glückliches Leben zu leben, bedarf es einer Ausgewogenheit und einer Verschränkung zwischen den Werten,“ erklärt Schlick.

Werte sind immer individuell und eine rein persönliche Sache – sei es für jeden einzelnen, in der Familie oder auch in einer größeren Gemeinschaft. Definiert man die eigenen oder die gemeinsamen Werte nicht, mündet das oft in Krankheit, Trennung oder Chaos. Nach den eigenen und gemeinsam definierten Werten zu leben bedeutet mehr Zufriedenheit, mehr Selbstbewusstsein, bessere Beziehungen bei viel weniger Schuldgefühlen und Stress.

Leben auch Sie nach Ihren Werten!

Vereinbaren Sie einen persönlichen Gesprächstermin mit Christoph Schlick oder einem unserer MitarbeiterINNEN bei uns im SinnZENTRUM Salzburg ! 

 

Hypnose – und was wir noch von Milton H. Erickson lernen können

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„Jeder ist so einzigartig wie sein eigener Fingerabruck“ Milton H. Erickson

Wer auch immer sich dafür interessiert, wie es möglich ist, in einem Menschen in kurzer Zeit große Veränderungen entstehen zu lassen, kommt nicht an Milton H. Erickson (1901-1980) vorbei. 

Nachdem die Hypnose zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus der Psychotherapie verdrängt worden war, erweckte sie Erickson in Form einer „Theorie des impliziten Wissens“ wieder zu neuem Leben. Er sah jeden Menschen als Individuum, dessen innere Ressourcen einzigartige Veränderungen bewirken können. Erickson sah Dinge, die sonst kaum jemand beachtete und erkannte, dass diese peripheren Phänomene den Schlüssel zum Wesentlichen in sich bargen. Zudem entwickelte er ein feines Gespür für Bewusstseinsveränderungen im Menschen.

Jeffrey Zeit (Schüler von Erickson) erzählte einmal von einem Mann, der zu Erickson kam, abrupt gegen den Stuhl trat und sich dann hinsetzte. Erickson sah ihn an und sagte: “Sagen Sie, waren Sie wegen Mordes im Gefängnis?“ Und der Mann begann, von seiner Haftkarriere zu erzählen. Der dabei sitzende Arzt im Praktikum war sprachlos und fragte Dr. Erickson, wie er auf diese Frage gekommen war? Und Erickson sagte: „Sie haben Tausende von Menschen gesehen, die sich auf einen Stuhl setzen. Aber Sie haben nie jemand vorher so einen Stuhl treten sehen.“

Ähnlich wie bei Viktor Frankl und anderen Pionieren, entstanden viele Ideen Ericksons unter widrigen Umständen. Nachdem er im Alter von 17 Jahren vorerst durch Polio gelähmt blieb, entdeckte der ehemalige Schulsportmeister neue Möglichkeiten, um das Potential des Unbewussten auszuschöpfen und entgegen der Prognosen der Ärzte überlebte er nicht nur, sondern erlangte fast die vollständige Kontrolle über seinen Körper zurück. Während er für ein ganzes Jahr vollkommen gelähmt war, konnte er nur seine Augen und Ohren benutzen. So entwickelte er seine besondere Wahrnehmungsfähigkeit. Er übte sich beispielsweise nicht nur darin, am Klang des Schrittes zu erkennen, welches Familienmitglied über den Hof geht, sondern auch in welcher Stimmung derjenige war.

Neben seiner einzigartigen Beobachtungsgabe entdeckte er den therapeutische Nutzen von Metaphern und Geschichten. Wie wohl kaum ein anderer Therapeut vertraute Erickson darauf, Anekdoten zu erzählen. Sie handelten von seiner Kindheit, seinen Patienten oder etwas anderem, oft sehr alltäglichem, enthielten dabei aber immer subtile Botschaften. Wie etwa die folgende Geschichte, die davon erzählt, wie ein einziger Satz genügen kann, um einen Menschen völlig zu verändern.

Joe war bereits im Alter von zwölf Jahren aus jeder Schule des Landkreises geflogen. Die Lehrer hatten ihn aufgegeben. Joe hatte eine Katze und einen Hund mit Petroleum übergossen und angezündet und versucht, die Scheune seines Vaters niederzubrennen. Und in diesem Alter gaben die Eltern die Erziehung ihres Sohnes verzweifelt auf und schleppten ihn vor Gericht, um ihn in eine Spezialschule einweisen zu lassen.

Erickson erzählte noch lange weiter von Joes Sündenregister. Doch schließlich begegnete Joe einer schönen Farmerstochter. Wann immer er sie traf, fragte er sie, ob er sie am Freitagabend zum Tanz ausführen könnte. Nachdem die Farmerstochter in lange ignoriert hatte, antwortete sie ihm eines Tages sehr kühl auf seine Frage: „Du kannst, wenn du ein Gentleman bist.“ In diesem Moment änderte Joe seine Einstellung und sein Verhalten. Als er soweit war und sie mit ihm ausging, tanzten sie den ganzen Abend. Am nächsten Morgen fanden drei Ladenbesitzer die Waren wieder, die ihnen gestohlen worden waren. Joe wurde Knecht bei dem Vater des Mädchens, einem reichen Farmer, und arbeitete sehr hart. Eines Tages heiratete er sie und wurde zum angesehenen Mitglied der Gemeinde.

Alles, was Joe an Psychotherapie erhalten hatte, war: “Du kannst, wenn du ein Gentleman bist.” Und das war genug, um 29 Jahre eines rücksichtslosen Leben zu beenden.

Erickson behauptete zwar nicht, dass ein einziger Satz immer ausreichen würde, um einen Menschen zu ändern, aber er wusste um die Bedeutung im richtigen Moment das richtige zu sagen.

Zwar gab er auch zu, dass ein Therapeut manchmal mit sehr bescheidenen Fortschritten zufrieden sein muss und manchmal gar nichts erreichen kann. Doch immerhin waren die Erfolge, die er gerade auch mit seinen Geschichten erzielte, so groß, dass heute Therapeuten in aller Welt versuchen, es ihm nachzutun. Er gilt als „Gründervater der modernen Hypnose“, wurde von Bateson als „Mozart der Kommunikation“ beschrieben und oft als „ein Therapeut ohne seinesgleichen“ bezeichnet.

Jeffrey Zeig erwähnte, dass Erickson vermutlich nur in zwanzig Prozent seiner Behandlungen eine formelle Hypnose angewandt hat. Wir können von ihm also nicht nur Hypnose lernen, sondern auch die umfassende Wahrnehmung des Gegenübers ohne zu werten und die Bedeutung von Worten und Formulierungen.

Foto Credit: Ruth Rambousek